Ursachen suche eines School Shootings
von Freyja
Einleitung
"CDU-Politiker fordern Verbot von "Killerspielen", "Bayern will
Bildschirm-Ballern verbieten" solche und ähnliche überschriften prangen
auf Titelseiten oder strahlen uns aus dem Fernseher entgegen. Anlass
dazu gibt meist, ein Amoklauf an einer Schule. Ob Erfurt, Emsdetten
oder Columbine die Computerspiele waren schuld. Doch ist es wirklich so
simpel die Ursachen auszumachen oder dienen PC-Spiele nicht viel mehr
als Sündenbock, um die eigene Unfähigkeit zu verdecken? Wo sind die
wahren Ursachen zu suchen und ist ein Konstrukt von vielen
verschiedenen Faktoren nicht wahrscheinlicher?
Zu diesen Fragestellungen sollte eigentlich wohl jeder Mensch
nach einigem überlegen kommen, allerdings wird durch Politik und Medien
ein kritische Auseinandersetzung mit dem Thema sozusagen unterbunden;
es wird das geglaubt, was vorgegeben wird - dann sind es eben die
Computerspiele. Ernsthafte Bemühungen einer Ursachenfindung werden in
den Hintergrund gestellt, mit Verboten von Killerspielen scheint jeder
zufrieden gestellt zu sein. Dass damit indirekt alle Spieler zu
aggressiven Gewalttätern verurteilt werden, interessiert wohl auch
niemanden, so geht es weiter mit dem fröhliche Verbote basteln.
Ursachenherde wie Schule oder Familie werden ausser Acht gelassen,
aus Angst an der eigenen Fehlbarkeit. Hier jedoch sollten viel mehr die
Schuldträger zu suchen sein. Nicht umsonst begehen School Shooter, wie
der Name schon sagt ihr "Rachedelikt" in der Schule und ebenfalls
werden nicht grundlos, in vielen Fällen Mitschüler und Lehrer vom Täter
zuvor auf "Todeslisten" vermerkt.
Diesen beiden Ursachen-Thesen, die scheinbar zu einem School
Shooting führen widme ich mich in meiner Facharbeit und versuche dabei
auf die oben gestellten Fragen, Antworten zu finden und zu geben, dabei
werde ich nur kurz die Bereiche mögliche biologische Ursachen und das
School Shooting als Nachahmungstat streifen, da meiner Meinung nach auf
den anderen Gebieten mehr Akzente zusetzen sind.
Was bedeutet Amok und wieso ist School Shooting der bessere Begriff?
Der Begriff Amok stammt aus der malaiischen Sprache und bedeutet
soviel wie "Wut", wurde aber früher auch mit "im Kampf alles geben"
übersetzt. Seinen Ursprung hat das Phänomen des Amok laufen auf der
Insel Malaysia. Dort kam es oft vor, dass Eingeborene in tiefe
Depressionen stürzten und dann plötzlich grausame Meuchelmorde
verrichteten, welchen später sogar politische und religiöse Motivation
als Hintergrund des Handelns nach gesagt wurden. Eine genau gefasste
Definition des Begriffs Amok existiert jedoch nicht.
Ein Beispiel für einen typischen Amoklauf wäre das Zuger Attentat
vom 27. September 2001, bei dem Friedrich Leibacher, ein 54-jähriger
Mann in das Zuger Kantonsparlament stürmte und 14 Menschen erschoss.
Der Tat ging ein jahrelanger Rechtsstreit und Beschwerdekrieg voraus,
da sich Leibacher vom Rechtssystem ungerecht behandelt fühlte, was
letztendlich auch die Beweggründe für seine Tat waren. Hieran erkennt
man deutlich was einen Amoklauf ausmacht. Es sind im Wesentlichen die
folgenden vier Merkmale:
Zum einen muss der Täter den Tod einer oder mehrerer Personen
beabsichtigt haben und dieses "Ziel" auch erreichen, ausser wenn äussere
Einflüsse dies verhindern. In unserem Beispiel erreichte Leibacher
dieses "Ziel" erschaffte es 14 Menschen zu töten und weitere 15 zu
verletzen. Weiterhin muss das Vorhaben rücksichtslos und ohne Angst um
das eigene Leben durchgeführt werden oder letztendlich mit dem Suizid
oder dem Tod durch andere des Täters enden. Friedrich Leibacher beging
am Ende seiner Tat Selbstmord. Zudem sollte die Tat impulsiv und
plötzlich geschehen ohne längere Planung -und Ankündigungsphase und
keine tieferen, wie z.B. politische, ethische oder religiöse Gründe zur
Ursache haben. Wie schon erwähnt waren die Motive in diesem Fall
lediglich, dass sich der Täter ungerecht behandelt fühlte und sich
rächen wollte.
Oftmals werden, besonders von den Medien die Begriffe Massenmord
und Massaker dem des Amoklaufs gleichgesetzt, da sie sich nur durch
wenige Merkmale unterscheiden lassen. Seit einiger Zeit wird auch die
Abkürzung SMASH, welche für Sudden Mass Assault Syndrome with
Homicide(plötzliches Massenangriffs-Syndrom mit Tötungsabsicht) steht.
Dadurch soll der allgemein gefasste Begriff des Amok abgelöst und nur
noch auf seine malaysischen Wurzeln bezogen werden, da ansonsten eine
Mystifizierung der Taten vorkommen könnte.
Wodurch spezifisiert sich jetzt aber das School Shooting?
Die augenscheinlichsten Unterschiede liegen im Ort, dem Alter der
Täter und in der Auswahl der Opfer. Ein School Shooting steht in
direkter und zielgerichteter Verbindung mit der jeweiligen Schule,
welche der Täter zumeist vorher besuchte. Die Täter sind somit
Jugendliche oder junge Erwachsene, wo hingegen Amokläufer eher aus der
Gruppe der "Vollwertigen" Erwachsenen gehören. Die Planung eines School
Shooting zieht sich zudem des öfteren bis zu einem Jahr hin, wird
sorgfältig vorbereitet und in den Gedanken des Täters immer wieder
durchgespielt; er sieht es als eine Inszenierung seiner selbst. Von
einem plötzlichen, unbedachten Ausbruch ist hier bei nicht aus zugehen.
In vielen Fällen wird die Tat bereits vorher von dem Täter angekündigt,
z.B. durch das Internet, wo oftmals so genannte "Todeslisten"
existierten, in welchen ausgewählte Opfer aufgezählt wurden.
Anfangs ging man davon aus, dass sich dieses Phänomen zu einem
typischen Problem der USA entwickelt, doch musste man feststellen, dass
es ebenfalls immer häufiger auch in Deutschland und anderen Ländern zu
solchen Vorfällen kam.
Bei der suche nach Ursachen, splitterten die einzelnen Gruppen
weit aus einander. Es gibt viele verschiedenen Theorien, die von
biologischen über psychische bis zu gesellschaftlichen
Erklärungsansätzen reichen. Allerdings spielen wohl alle Faktoren eine
Rolle, bei der Frage: Wie kommt es zu einem School Shooting? Diese
Frage versuche ich im weiter Verlauf dieser Arbeit zuklären
beziehungsweise mögliche Ursachen zu erläutern.
Biologische/Medizinische Ursachen
Serotonin Mangel
Das serotogene System ist ein neuronales System des Gehirns,
welches Denkfunktionen und Affekte reguliert und steuert. Bestimmte
chemische übertragungssubstanzen, in diesem Falle Serotonin aktivieren
an den übergängen der Nervenzellen, den Synopsen diese neuronale System
und somit die Kontrolle der Affekte.
Wenn nun ein Serotoninmangel vorliegt kann es zu einem Fehler in
der Impulssteuerung kommen, insbesondere im homozidalen und suizidalen
Bereich. So wurde bewiesen, dass Mörder und Selbstmörder einen
geringeren Serotoninanteil im Gehirn aufweisen, als normale Menschen.
Daraus lässt sie der Schluss ziehen, dass Menschen mit einem niedrigen
Serotoninspiegel schneller und häufiger zu einem Impulskontrollverlust
neigen, als andere mit normalen Werten. Allerdings wurden bis jetzt
noch keine Amokläufer oder Schoolshooter daraufhin untersucht. Richtet
man seinen Blick jedoch auf die Auslöser einer Fehllaufenden
Entwicklung des serotogenen Systems, deutet man dies gerne als einen
Aspekt des School Shooting. Das soziale Gefüge eines Menschen,
insbesondere in den ersten Lebensjahren hat grossen Einfluss auf die
Ausbildung des serotogenen Systems, welches wiederum auf die
Verhaltensweisen des Menschen einwirkt. In einem Versuch wurden
Affenjunge einem schlechten Mutter-Kind Verhältnis ausgesetzt. Dies
hatte zur Folge, dass sich ihr serotogenes System miss bildete und
betroffene Affen in der freien Wildbahn nach kurzer Zeit starben. Die
nicht beziehungsgeschädigten Affen hingegen überlebten problemlos.
Daraus lässt sich ableiten, welche Probleme bei Jugendlich, die in
einer miserablen sozialen Umgebung aufwuchsen auftreten können.
Darunter würden beispielsweise Depressionen, bipolare Störungen, und
Angststörungen fallen. Interessanter jedoch erscheint es, dass
ebenfalls gesteigerte Aggressivität gegen andere als auch
Autoaggressivität auftreten, welche oft noch durch zusätzlich
verursachten Schlafstörungen verstärkt werden. Ob diese Symptome aber
zu einem Shool Shooting oder ähnlichen starken Gewalt Ausbrüchen führen
können ist noch umstritten, eine Rolle in dem Bündel von Ursachen kann
es aber sicherlich in manchen Fällen schon spielen. Dennoch sollten
hier nicht zu vor eilig möglichen Ursachen festgemacht werden, da das
Gehirn ein zu komplexes System ist, als dass es hundertprozentig
erforscht und daran Beweise erbracht werden könnten. Ebenfalls sind das
prägende soziale Umfeld und dessen Einfluss auf diese neuronalen
Systeme kaum deutlich auszumachen.
Werther-Effekt und Trittbrettfahrer
Unter Werther-Effekt versteht man die Nachahmung von Suiziden, aber auch von anderen Straftaten die mit Suizid enden.
Die Bezeichnung Werther-Effekt, geht auf Goethes Werk "Die Leiden
des jungen Werthers" zurück. Dieser Brief-Roman inspirierte, 1787
erschienen zu etlichen Selbsttötungen der damaligen Jugend und trug
somit zur Namensgebung dieses immer noch aktuell bleibenden Phänomens
bei. Heut zu Tage richtet sich der Blick allerdings mehr auf die
moderneren Medien, wie Film, Fernsehen, Rundfunk und Presse.
Es stellt sich die Frage, wie sich die Berichterstattung und der
Umgang mit Gewalttaten dieser Medien auf die Jugend ausübt und ob sie
zu einem Teil der Ursachen von School Shootings werden können.
Bewiesen ist es, dass z.B. der Suizid von prominenten Personen,
der durch die Medien verbreitet wird zu einer erhöhten Suizidrate
führen kann, aber auch nach der Ausstrahlung von Dokumentationen oder
Filme über/mit Selbstmördern liess sich teilweise eine Steigerung von
bis zu 75 % verzeichnen. Klar ist also, dass die Medien einen
Nachahmungsförderndeneinfluss auf ihre Konsumenten haben. Die Annahme,
dass es sich dabei meist um die eh schon Selbstmordgefährdeten handelt
wurde bereits widerlegt. Auch völlig stabile Menschen können von der
Medienberichterstattung so stark beeinflusst werden, dass sie zum
Freitod tendieren, obwohl sie ansonsten vielleicht nie an diese
Möglichkeit gedacht hätten. Auf Grund dieser erschreckenden Tatsachen,
einigten sich Journalisten darauf nur noch kurz und knapp über
Selbstmorde zu berichten. Ortsangaben, Methodik oder Ursachen sollten
dabei gar nicht mehr angegeben werden, da sie allzu oft zu einer
Mystifizierung der Taten führen, wenn Journalisten ihren oftmals zu
fantasievollen Schreibstil verwenden. Auf diese Weise wird versucht
Nachahmungen von öffentlich bekannt gewordenen Suiziden zu vermeiden,
aber warf man einen Blick in die Zeitungen zum Zeitpunkt des Erfurter
School Shooting beispielsweise, sprangen einem alle Details zur Tat
direkt ins Gesicht. Ebenso wenn man den Fernseher einschaltete wurde in
jedem zweiten Programm Extrasendungen eingeschoben, in welchen alles
haarklein beschrieben wurde. In Folge dessen scheint es nicht
verwunderlich, dass ca. 15 Androhung ein weiteres School Shooting zu
verüben in der nachfolgenden Zeit eingingen, welche dank frühzeitigem
einschreiten der Polizei verhindert werden konnten. Solche Androhungen
kommen zumeist von "unentschlossenen" School Shootern, die ohne einen
Ansporn vielleicht nicht eine solche Tat begehen würden, aber durch
Medienberichte darüber, dann doch die nötige "Mut" finden. Eine
weiteres erfolgreiches Shool Shooting innerhalb kürzester Zeit nach dem
ersten durch zuführen, scheitert allerdings so gut wie immer an den
verstärkten Präventionsmassnahmen der Polizei und so bleibt es bei
Androhungen. Des weitern kommen jene Täter dazu, welche es gewollt nur
bei den Androhungen lassen, weil sie denken, dadurch in das Licht der
Medien zurücken. Hervorgerufen werden diese Versuche bewiesenermassen
auch durch die starke Medienpräsenz nach Shool Shootings und könnten
durch gezieltere Berichterstattung, die jegliche Romantisierungen und
Heroisierung der Täter. wegliesse vermieden werden. Die dritte Gruppe,
zu der ich nun komme lässt sich noch teilweise zu den ersteren zählen.
Ebenfalls durch die vielen Medienberichte sind im Laufe der Zeit School
Shooter, wie Eric Harris und Dylan Klebold zu regelrechten Helden
geworden. Verehrt von Jugendlichen denen die übermoralisierung durch
Eltern und Schule zu viel wurde und sie sich der "bösen" Seite
zuwandten, um eine Abgrenzung zuschaffen oder auch weil sie sich gleich
benachteiligt fühlen, durch Mitschüler oder Lehrer, wie die Täter. Bei
ihnen kann der letzte Anstoss zum Entschluss es ihren Vorbildern gleich
zutun auch das Wissen über ein neues School Shooting, gleich ihren
Helden sein. Allerdings ist zu erkennen, dass es immer nur der letzte
Anstoss oder der Reiz bleibt und nicht als wirkliche Ursache zu
bezeichnen ist. Es muss vorher schon ein Bündel von anderen Ursachen
geben, welches dann erst durch sozusagen vollkommen wird, wenn über ein
School Shooting bereichtet wird. Dennoch sollte die Presse sich an eine
neutrale Berichterstattung halten, damit es nicht zu solchen Anreizen
kommen kann
Computerspiele und Fernsehen/Filme
Wo ist die Schuld für ein passiertes School Shooting zu suchen?
In Gewaltbeinhaltendencomputerspielen und Filmen, tönt es laut aus
der Richtung der Politiker und der restlichen von Politik und Medien
geformten breiten Masse. Es scheint so einfach den Sündenbock dort zu
suchen, um die Schuldfrage von einem selbst abzulenken beziehungsweise
abzuweisen, denn die eigene Politik will man ja nicht in Frage stellen.
Jeder ist zufrieden damit, ob man sich selbst einmal ein Bild von den
"bösen Killerspielen" gemacht hat, tut dabei nichts zur Sache.
Hauptsache ist, dass sie verboten werden. Bei Columbine waren es Doom
und Quake, bei Robert Steinhäuser der Ego-Shooter Counterstrike,
welcher immer wieder in Verdacht geriet, wenn es um Gewaltausbrüche bei
Jugendlichen ging.
Doch es spielen in der Ganzen Welt tausende von Kindern und
Jugendlichen solche gewalttätigen Spiele, müssten dann nicht
wöchentlich eine Schule gestürmt werden? Und weit aus wichtiger die
Frage sind es wirklich die Spiele und Filme oder sind nicht viel mehr
die Eltern daran Schuld, wenn sie zulassen, dass ihre Kinder
stundenlang vor dem Computer oder Fernseher sitzen, ohne jegliche
Kontrolle durch ihre "Erziehungsberechtigten".
Um den Einfluss von medialer Gewalt auf Kinder und Jugendliche zu
konkretisieren wurden bereits hunderte von Studien durchgeführt. Keine
führte zu einem eindeutigen und verlässlichem Ergebnis, da trotz vieler
empirischer und Theoretischer Untersuchungen keine genaue und sichere
Analysemöglichkeit besteht.
Es bildeten sich mehrere Hypothesen heraus, die man zu belegen
versucht. Die wahrscheinlichsten und vielleicht auch bekanntesten
stelle ich nun kurz vor:
Die Katharsistheorie bewertet mediale Gewalt als positiv, da sie
laut dieser Studie Aggressionen abbaut und der Konsument sich durch das
Aufnehmen der Gewaltdarstellungen eher abreagiert, als aggressives
Verhalten zu entwickeln. Allerdings vertreten nur noch wenige diese
Hypothese und wissenschaftlich konnten zudem keine produktiven
Ergebnisse gemacht werden. Tritt eine verringerte Gewaltbereitschaft
nach dem Konsum von solchen Medien ein, scheint es mehr im Zusammenhang
mit der Angst vor Bestrafung der Taten, welche oftmals auch einen
Aspekt in Filmen oder Spielen findet betrachtet werden zu müssen.
Eine weitere Theorie beschäftigt sich mit der Abstumpfung
emphatischer Fähigkeit durch Gewaltverherrlichende Medien, doch fehlt
es bei der Habitalisierungsthese ebenfalls an genügend Beweisen, zumal
die physiologischen berücksichtigten Werte, wie der Puls nicht
analytischkorrekt mit einbezogen werden können, da es an der
Beurteilung dieser scheitert. Jedoch lässt die Tatsache, dass zum
Beispiel die US-Army einen eigenen Ego-Shooter entwickelte und diese
einsetzt, um ihre späteren Soldaten auf die Kriegssituation
vorzubereiten die Theorie der Desensibilisierung und Konditionierung
für sehr möglich erscheinen. Politiker und Medien greifen auf eben
diese Hypothese ebenso gerne zu, da sie als so leicht auszumachen
scheint. So werden gerne die brutalsten Horrorszenarien aus Spielen,
die vielleicht in dieser Art gar nicht existieren oder vom Spieler
derart schlimm nicht wahrgenommen werden, als Beispiel gewählt, um die
breite Masse zumanipulieren ohne die Chance zulassen sich eine eigene
Meinung zubilden, was diese wiederum auch gar nicht wünscht. Hier lässt
sich ein weiterer wichtiger Punkt ausmachen, der unbedingt
Berücksichtigung finden muss. Die Wahrnehmung der Konsumenten von
medialer Gewalt und der Nutzungszweck. Darauf werde ich allerdings erst
später zurückkommen, erst einmal sollten die weitern Wirkungstheorien
besprochen werden, womit wir zur nächsten Studie kommen, der
Kultivierungsthese.
Hier bei handelt es sich um die Erforschung, der Prägung des
alltäglichen Leben beziehungsweise des gesamten Weltbildes durch das
Fernsehen. Dabei stiess man auf die weiterführende Frage, wie die in den
Medien verkauften Emotionen die eigene Gefühlswelt beeinflussen und in
wie weit sie diese verändert. Wie auch bei den anderen Thesen sind die
Ergebnisse als nicht sicher zu betrachten.
Zwei weitere Konzepte auf weitgehend theoretischer Basis sind der
Priming Ansatz und die Skript-Theorie. Die hier gestellte Frage lautet,
inwiefern violente Gedächtnisstrukturen von aggressiven Stimuli geprägt
werden, worauf die schon bestehenden Strukturen reagieren und wie diese
sich dann auf das Verhalten auswirken. Da es sich um Prozesse handelt,
welche sich im Gehirn abspielen, werden, wie auch bei der Serotonin
Hypothese wohl kaum jemals eindeutige Ergebnisse erzielt werden können.
Craig A. Andersons General Aggression Model versucht mehrere
Theorien auf einander abzustimmen, so z.B. auch die beiden vorherig
genannten. Grundlegende Aussage ist, dass durch das Aufnehmen von
violenten Medien Aggressionen gefördert werden, weil sie zum einen
verdeutlichen wie Gewalt angewendet wird beziehungsweise angewendet
werden kann, zum anderen die Bereitschaft zu Gewalt zu greifen anregen,
indem sie einen gewissen aggressiven Grundzustand schaffen. Mit diesem
nicht unbedingt neuen Gedanken gelang ebenfalls kein grosser
Fortschritt, da dass Zusammenwirken der einzelnen Komponenten noch
immer nicht ausreichend erforscht worden konnte.
Allein mit diesen vielen verschiedenen Studien lässt sich aber noch
lange keine Ursache für ein School Shooting oder anderweitige Gewalt
ausmachen. Bis jetzt kann lediglich die Aussage getroffen werden, dass
mediale Gewalt negative Auswirkungen haben kann, jedoch dies nur auf
einen weiten Zeitraum gesehen. Die Weiterentwicklung und das Ausbauen
dieser Thesen geht zudem nur stockend vorwärts, da die einzelnen
Untersuchungen nicht aufeinander aufgebaut, ältere Ergebnisse falsch
gedeutet oder einbezogen werden und für neue Fragestellungen keine
passende Analysearten genutzt werden beziehungsweise keine neuen
empirischen Methoden entwickelt werden. Zudem müssen das
Nutzungsverhalten und der Konsument als Individuum mit einbezogen
werden.
Warum wird mediale Gewalt konsumiert und folgen bei jedem die gleichen Wirkungen?
Die Gründe für die Nutzung violenter Medien scheinen vielzählig zu
sein und addieren sich zumeist auch. Von den folgenden Hauptmotiven zum
Konsum von medialer Gewalt wird ausgegangen:
"Sensation-Seeking": Der Konsument sucht Risiko und einen Reiz in Medien.
"Mood Management": Medien wirken stimmungsregulierend auf den Konsumenten.
"Excitation-Transfer-Theorie": Die positive Erleichterung durch das
"Happyend", nach der aufgebauten Spannung macht mediale Gewalt
attraktiv für den Konsument.
"Dispositionstheorie": Die dargestellte Gewalt wird nur als
positiv betrachtet, solange sie der unsympathischen Figur gilt z.B. dem
Gegenspieler des Helden.
"Angstlust": Der Konsument setzt sich freiwillig dem
Angstauslösenden Stimuli aus, in der Gewissheit, dass es zu einem
positiven Ende kommt und er selbst nicht betroffen ist.
Bei Computerspielen ist es zudem so, dass die meisten Spieler
empathiefrei und aus rein funktionalistischen Gründen spielen und
nicht, wie ihnen vorgeworfen wird im Sinne einer Opfer-Täter-Beziehung.
Dies bewies eine Studie, in der der aktuelle Stand der
Computerspielforschung ausgewertet wurde und zusätzlich, darauf
basierend eine schriftliche Befragung von 2141 Computerspielern
durchgeführt wurde. Die Gewalt in Spielen, welche von Nicht-Spielern
oftmals falsch aufgenommen und beurteilt wird, dient den meisten
Spielern lediglich als eine Art Wettkampf, den sie nicht in Bezug auf
die Realität erleben. Ego-Shooter, wie Counterstrike, in denen in der
Ich-Perspektive gespielt wird scheinen dabei weniger realistisch
wahrgenommen zu werden, als Spiele mit einer tiefgehenden Storyline,
bei der eher Empathie zu den Spielfiguren aufbaut wird oder
Kriegsstrategiespiele, dessen Verlauf mehr auf reale Kriegsgeschehnisse
übertragen werden kann. Die oft Unrealistischwirkenden Metzeleien mit
viel Blut in 3D-Shootern bauen eher eine Distanz zur Wirklichkeit auf
und auch dem bei Online-Spielen hinter der gegnerischen Spielfigur
stehenden Menschen wird keine besondere Bedeutung, gar als Opfer oder
Feind zugewiesen. Der Spieler sieht die genutzte Gewalt nicht, als eine
in die Wirklichkeit übertragbares Mittel und setzt sie auch nicht mit
realer Gewalt in Verbindung. Violente Computerspiele sind nicht im
Vergleich mit realer oder filmischer Gewalt zusehen. Wird das
Computerspiel nur als Wettkampf gesehen, kann es auch keine
abstumpfenden Folgen für den Spieler haben, da die Gewalt nicht
schockierend auf ihn wirkt.
Schule, soziales Umfeld, Familie
In der heutigen Zeit hört man immer öfter von Gewalt in Schulen,
dabei ist es zumeist nicht die physische Gewalt, sondern vielmehr die
psychische Gewalt, welche tiefe Spuren im Bewusstsein des Jugendlichen
hinterlässt die Schmerzhaftere Gewalt.
Mobbing, das Zusammenspiel beider Gewalten wird immer mehr zum
Thema im Schulalltag. Kaum ein Schüler kann nicht selbst entweder als
Opfer, Mittäter oder Zuschauer davon berichten. In einer
materialistisch geprägten Gesellschaft, die immer mehr von Egoismus,
Selbstsucht und dem Streben nach Macht gekennzeichnet wird, ist es
schwer, sich zu behaupten. Es scheint so, als wäre die Schule ein Raum,
indem dies alles stärker und brutaler zur Geltung kommt, als sonst wo.
Jugendliche kennen kaum Gnade gegenüber ihren schwächeren Mitschülern.
Hat Schüler x nicht die neuesten und tollsten Markenklamotten,
schwinden seine Chancen auf Anerkennung in der Gruppe. Er wird
gehänselt, ausgelacht und rumgeschubst. Entweder wird er diese
Opferrolle beibehalten und alle Wut in sich hineinfressen oder er sucht
sich noch Schwächere, die er tyrannisiert oder denen er die Klamotten
oder Geld "abzieht". Beide Wege arten früher oder später in Gewalt aus.
Hier werden seitens der Öffentlichkeit Einwände erhoben, dass solch
eine Entwicklung durch Lehrer und Schule insgesamt verhindert würde.
Die Antwortet muss aber leider lauten: Nein. Nur in seltenen Fällen
kommt es zu einem aktiven Einschreiten der Lehrerschaft. Zum einen
liegt dies sicherlich daran, dass in den heutigen Klassen von 30 bis zu
40 Schülern es nicht möglich ist auf die einzelnen schwächeren Kinder
einzugehen zum anderen daran, dass sich Lehrer immer weniger für die
sie anvertrauten Schüler interessieren und sorgen. Im Gegenteil, Lehrer
schauen gerne weg, wenn sie sehen, wie Jugendliche einen ihrer
Mitschüler mobben oder anderweitig ausschliessen oder sie unterstützen
die stärkere Gruppe, indem sie ebenfalls auf dem betroffenen Schüler
rumhacken oder ihn bloss stellen. Die Aufgabe die Schule hier zu
erfüllen hat "Sie achtet den Grundsatz der Gleichberechtigung der
Geschlechter und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Sie vermeidet alles, was die Empfindungen anders Denkender verletzen
könnte." Wird grosszügig übergangen. Diese Tatsache klingt für viele
sehr unglaubwürdig, ist aber in vielen Schulen Realität und lässt sie
für die Betroffenen Schüler zum Alptraum werden. Das andere Mitschüler
eingreifen, um dies zu verhindern sollte zwar möglich sein, aber in
Anbetracht der geschilderten Situation, ist zu befürchten, dass sie
dann ebenfalls in die Rolle des Opfers gedrängt werden.
Aber auch der heutige Leistungsdruck setzt die Jugendlichen mehr
und mehr unter Zwang. Ohne gute Noten scheint die Chance auf einen
Beruf unmöglich. Rutsch ein Schüler einmal ab in seinen Leistungen,
wird er der Klasse immer weiter hinterher hängen, da individuelles
Eingehen auf einzelne, wie oben schon gesagt nicht mehr vorgesehen ist,
obwohl das Schulgesetz besagt "Drohendem Leistungsversagen und anderen
Beeinträchtigungen von Schülerinnen und Schülern begegnet die Schule
unter frühzeitiger Einbeziehung der Eltern mit vorbeugenden
Massnahmen."* Lediglich die Wiederholung oder letztendlich der
Schulwechsel sind eine Lösung. Doch damit treten oftmals neue Probleme
auf, denn der Neue zu sein ist nicht gerade einfach.
Die Unterstützung vom Elternhaus spielt hier aber ganz klar auch
eine wichtige Rolle. Immer mehr Eltern arbeiten ganztags und lassen
ihre Kinder zu so genannten Schlüsselkindern werden. Die Angst vor
Arbeitslosigkeit, wenn man eine Pause einlegt oder eine Halbtagsstelle
fordert, bringt viele dazu ihre Kinder zu vernachlässigen und sie in
diesen wichtigen Momenten sich allein zu überlassen. Die Bindung
innerhalb der Familie wird schwächer, der soziale Kontakt zwischen
Eltern und Kind fehlt und die Folge davon, das Kind fühlt sich noch
allein gelassener mit seinen Problemen, zieht sich weiter in sich
selbst zurück. Den dadurch entstandenen schlechten Noten, wird wenig
Verständnis seitens der Eltern entgegen gebracht, das Selbstwertgefühl
sinkt weiter, die Wut steigt. An diesem Punkt angelangt fliehen viele
Kinder in ihre eigene Realität, häufig in die der Computerspiele, wo
sie die Dinge kontrollieren können, auch sie mal einen Sieg erringen.
Dem Kontakt zur Aussenwelt entziehen sie sich weitgehend und schotten
sich von ihren Mitschülern ab, die Aussenseiterrolle ist ihnen ja eh
schon zugeschrieben worden. Spätestens jetzt sollte die negative
Entwicklung des Jugendlichen, welche seine Hilfs- und
Hoffnungslosigkeit ausdrückt bemerkt werden und eingeschritten werden.
Aber wer soll dies tun? Die Eltern blicken schon längst nicht mehr
durch im Gefühlsleben ihres Kindes und Schule schiebt die Verantwortung
von sich ab zum Elternhaus.
"Die Schule achtet das Erziehungsrecht der Eltern. Schule und Eltern
wirken bei der Verwirklichung der Bildungs- und Erziehungsziele partnerschaftlich
zusammen."* so lautet es im Schulgesetz, zu merken ist davon oftmals wenig.
Dann kommt es zu dem Augenblick, wo der Jugendliche beschliesst, es
nicht mehr bei den Rachegedanken im Kopf zu belassen. Die Wut wird zu
viel, ebenso der Hass. Es wird keine andere Lösung mehr gesehen mit der
Situation klar zukommen oder es den anderen heimzuzahlen.
Ich denke es wird deutlich, dass hier mehr Schuld zu suchen sein
sollte, als bei Computerspielen und Co. Wie verdeutlicht geschieht der
Rückzug in die fiktive Spielewelt, in den häufigsten Fällen erst durch
die Ablehnung der Gesellschaft. Zuerst sollte der Blick der Politiker,
Medien und der restlichen Leute auf die eigenen Reihen gerichtet
werden. Entstehen "Aussenseiter" nicht eigentlich nur durch uns? Machen
sich "potenzielle Amokläufer" selbst dazu oder werden sie nicht viel
mehr von uns so zu Recht gerückt, dass es passt? Natürlich müssen viele
Schüler mit solchen Problemen kämpfen und auch nicht jeder wählt
letztendlich den gewalttätigen Weg. Jeder handelt anders in seiner
Problembekämpfung; Verdrängung, Auto-Aggression oder den "Klassenclown
spielen" sind nicht selten Anzeichen dafür, dass sich der Jugendliche
unwohl, missverstanden und falsch behandelt fühlt. Der Einsatz von
Schulpsychologen ist aber auch nicht die Lösung des Problems. Zum einen
werden die Jugendlichen nicht offen und ungern von sich aus darüber
sprechen wollen, da sie das Vertrauen in andere längst verloren haben
zum anderen ist es ebenfalls nicht sinnvoll sie zwangsmässig zu einem
Psychologen zuschicken, denn unter Druck werden sie sich erst recht
verschliessen. Viel mehr sollten Lehrer sich auf ihre eigentliche
Aufgabe der Erziehung die ihnen zugeteilt wurde zurück besinnen und
nicht dagegen arbeiten, indem sie die Schüler in der Unterdrückung
anderer zustimmen. Damit handeln sie nicht nur gegen jede Moralität,
sondern auch gegen das Schulgesetz selbst in dem es heisst, das Schüler
die "Achtung vor der Würde des Menschen"* lernen sollen und erzogen
werden "Im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit,
zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der überzeugung des anderen, zur
Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen
Lebensgrundlagen..."*. Es scheint als würde das heutige Schulsystem
versagen und seiner Aufgabe nicht mehr gerecht werden. Da aber Schule
im Grunde nur eine Widerspiegelung der Gesellschaft ist, muss
grundlegend etwas verändert werden, damit es zu einer Verbesserung des
alltäglichen Schullebens kommt, indem Gewalt wieder überschaubare
Ausmasse annimmt. Allein eine Besserung durch, dass Abschaffen von
Computerspielen zu erwarten ist irrsinnig, vor allem im Zusammenhang
gesehen mit folgender Aussage "Die Schülerinnen und Schüler sollen
insbesondere lernen mit Medien verantwortungsbewusst und sicher
umzugehen."*. Sollte dann nicht der richtige Umgang auch mit violenten
Medien gelernt werden? Sollte es in diesem Bereich nicht wieder jene
Zusammenarbeit von Schule und Eltern geben?
Man merkt es ist unmöglich alle Faktoren einzeln zu betrachten,
da sie immer wieder in einander überfliessen. Die Ursachen lassen sich
nicht klar und deutlich differenzieren. Sie sind vielmehr ein
zusammenhängendes Bündel, welches sich nicht auseinander ziehen lässt
und indem viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, welche mal
stärkere, mal schwächere Aspekte des ganzen bilden, abhängig vom
Individuum des Täters.
*Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen